Artikel WAZ vom 20.10.2017
Heiligenhauser Jugend sieht neue Technologien auch kritisch
HEILIGENHAUS. Bei einer Projektwoche zur Berufsorientierung diskutierten Gesamtschüler über Digitalisierung. Dabei erfuhren Dinge, was sie noch nicht wussten.
Facebook, Amazon, Internet und E-Mail. Viele neue Medien und digitale Helferlein nutzen wir heute ganz selbstverständlich im Alltag. Gerade viele junge Leute – sogenannte ‘Digital Natives’ – sind damit aufgewachsen. Und dennoch können auch sie noch einiges über Digitalisierung lernen. „Deshalb haben wir das Thema auch in unsere Projektwoche zur Berufsorientierung aufgenommen“, sagt Jahrgangsstufenleiter Christian Lohmann.
Beantwortet werden sollte die Frage, was die Schüler mit Digitalisierung verbinden und was sie von ihr erwarten. Um Antworten darauf zu finden, diskutierten die Elftklässler mit Daniel Gäbler, Geschäftsführer eines Großhändlers für Antriebstechnik, der ihnen das Thema Digitalisierung aus Sicht der Wirtschaft näher brachte, aber selbst auch Einblicke erhalten wollte, „wie digital die Kids heute denken.“
Das Internet birgt Risiken
Eine Erkenntnis: Während eigentlich fast alle Jugendlichen heutzutage soziale Medien und Internettechnologie nutzen, gibt es an der ein oder anderen Stelle auch noch Nachholbedarf. Beispielsweise, was die Gefahren im Netz angeht. „Die Jugendlichen nutzen gewisse Software wie selbstverständlich, aber es gibt eben auch Risiken“, sagt Gäbler. Beispielsweise durch Kriminelle, die ihr Unwesen treiben.
„Ich habe schon mal was bei Amazon bestellt und dann kam das Paket einfach nicht an“, berichtet beispielsweise Maurice. „Und im Darknet bekommt man ja auch illegale Dinge“, weiß ein Mitschüler zu berichten. So richtig viele Gedanken über Gefahren im Netz mache man sich dann aber auch nicht, sagten die Schüler.
Kein Ankommen gegen Amazon
Über das Internet findet aber natürlich auch legaler Handel statt. „Branchenriesen wie Amazon sind führend. Die haben ganz andere Möglichkeiten als wir“, sagt Daniel Gäbler. Während dort ganze IT-Teams daran arbeiteten, den Online-Shop zu verbessern, hätten kleinere Unternehmen Probleme, die Datenmengen zu verarbeiten. „Wir haben 200 000 Artikel im Angebot und bauen unseren Online-Shop gerade erst auf.“
Überhaupt, so Gäbler, hätten viele Unternehmen „Angst’ vor den jungen Leuten. „Wir fragen uns auch immer wieder, was erwarten gerade junge Kunden von uns.“
Dass man in der Schule mehr über das Thema lernen müsste, da sind sich die Schüler einig. „Das hier ist die erste Veranstaltung zum Thema Digitalisierung überhaupt“, sagt Maurice, fügt aber zugleich hinzu: „Wenn ich mich für das Thema IT besonders interessiert hätte, hätte ich auch auf eine spezielle Schule in Ratingen gehen können. Micah dagegen „würde schon gern mehr über das Thema wissen, da ich in der Branche später arbeiten will.“Bedenken in Sachen Digitalisierung haben in gewisser Weise auch die Schüler, beispielsweise wenn dadurch Jobs verloren gehen. „Hundertprozentig fit kann man da ja nie sein, weil sich die Technik ja immer weiter entwickelt“, meint beispielsweise Loves.
Thema bestimmt die Zukunft
Dass das Thema Digitalisierung in Schulen zu kurz kommt, sieht auch Lehrer Christian Lohmann so. „Sowas müsste in Sozialwissenschaften unterrichtet werden, aber die Lehrpläne lassen da nicht sehr viel Spielraum.“ Damit das Thema auch nach der Projektwoche nicht wieder unter den Tisch falle, sei für die Oberstufe eine AG zur Digitalisierung angedacht, sagt Lohmann. Auch eine Art Medienpass und Informatik sind geplant oder laufen bereits. Lohmann: „Das Thema bietet Chancen und Risiken. Aber es bestimmt auf jeden Fall unsere Zukunft.“
Artikel Rheinische Post vom 20.10.2017
Heiligenhaus. In der Projektwoche an der Heiligenhauser Gesamtschule mit Schwerpunkt "Berufswahl" sprachen Oberstufenschüler mit Firmenchef Daniel Gäpler über Digitalisierung in der Wirtschaft.
Digitalisierung - was ist das eigentlich? Diese Frage stellten sich gestern 30 Gesamtschüler der EF-Stufe (frühere 11) sowie der Sprockhöveler Firmenchef Daniel Gäpler (35). Im Rahmen der Gesamtschul-Projektwoche, die sich schwerpunktmäßig mit der Berufswahl beschäftige, begaben sie sich erstmals auf die Suche nach Antworten und Zukunftsperspektiven, in einer Welt, die immer mehr ins digitale verlagert.
Und eines ist sicher, wie Schülerin Ellen zusammen fasst "Digitalisierung hat Auswirkungen auf das ganze Leben und das von uns allen." Besonders spannend waren dabei die unterschiedlichen Blickwinkel auf einen Begriff, der den Alltag gestaltet. Noch wurden die Stichworte dazu auf einer analogen Tafel gesammelt, doch Smartboards, also interaktive, digitale Tafeln sind auf dem Vormarsch. Eines der Stichworte: Onlinekriminalität.
Gäpler, als Firmenchef eines mittelständischen Betriebs hat damit ganz eigene Erfahrungen: "Es ist uns passiert, dass unsere Dateien gekapert wurden und uns eine Lösegeldforderung ins Haus flog. Gott sei dank konnten wir auf ein Backup zurückgreifen, also eine Sicherung unserer Dateien, aber die Arbeit eines ganzen Tages, die noch nicht gesichert war, war dahin. Die Gefahr ist real."Einblicke, die die Schüler in der Form noch nicht kannten. Denn Vorteile wie online einkaufen und online bezahlen, das gehört zu den Vorteilen für den Nutzer. "Wir haben etwa so Begriffe wie B2B oder B2C gelernt, davon hatte ich noch nie gehört", erzählen die Schüler. Begriffe, die die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen untereinander oder mit den Kunden definieren. Für die Wirtschaft sei diese neue Aufstellung der Geschäftswelt eine Herausforderung, nicht umsonst sprechen Experten von einer digitalen Revolution im Ausmaß der industriellen Revolution. Vor allem die Geschwindigkeit der Entwicklungen macht Firmenchefs regelrecht Angst: "Die Veränderungen in den letzten fünf Jahren sind einfach krass. So schnell kommen wir einfach nicht mit", so Gäpler mit Blick auf riesige Online-Giganten.
Eine Berufswelt, in die die Schüler bald entlassen werden. In der Schule ist das Thema jedoch bisher kaum präsent:
"Das hier ist der einzige Kurs, wo man das Thema so behandelt hat, und wo man auch so in die Tiefe gegangen ist", sagen die Schüler. "Eigentlich trägt die Schule aber nicht unbedingt Schuld daran, es steht nun einmal nicht im Lehrplan", findet Micah. Und Maurice fügt an: "Wem das Thema in der Oberstufe wichtig ist, muss sich dann auch für die richtige Schule entscheiden, wo es auch behandelt wird." Jahrgangsstufenleiter Christian Lohmann sieht das differenzierter: "Ich halte es für sehr wichtig, dass die Schüler sich bewusst mit dem Digitalen auseinander setzen, auch in der Schule. Schließlich geht es um entscheidende Fragen ihrer Zukunft."