Tugces Tod beschäftigt die Schüler unserer SchuleSoll man Gewalt schweigend erdulden, um sein eigenes Leben zu schützen? |
Tugce Albayrak, eine 22jährige Lehramtsstudentin aus Offenbach, ist bei dem Versuch, sich schützend vor zwei Mädchen zu stellen, die von drei anderen Jugendlichen bedroht wurden, selbst von den Tätern niedergeschlagen und getötet worden. Die Medien berichteten ausführlich über ihren Fall, in vielen deutschen Städten nahmen Menschen, bei denen die Tat großes Entsetzen und tiefe Betroffenheit auslösten, spontan Anteil an ihrem Schicksal. Auch bei den Schülerinnen und Schülern unserer Schule wird die Frage, ob man bei Streitigkeiten eingreifen soll, selbst wenn man riskiert, verletzt oder sogar getötet zu werden, in vielen Unterrichtsstunden engagiert diskutiert. Aus dem Deutschunterricht der Klasse 9d erreichte uns der folgende Aufsatz von Ellen, den wir als Diskussionsbeitrag zu diesem Thema hier veröffentlichen möchten: |
Wie an vielen anderen Schulen, wie in vielen anderen Klassen, so diskutierten auch wir in der Klasse 9d diesen Fall. Zur Zeit sind viele Fragen offen: "Hätte die junge Frau einfach so eingreifen sollen?" - "Zivilcourage - ja oder nein?" lautet das große Diskussionsthema in unserer Klasse, und auch ich bin zu einem Entschluss gekommen: "Jeder Mensch sollte Zivilcourage zeigen!" Im Folgenden möchte ich meine Meinung dazu erürtern und nenne einige meiner Argumente: Mein erstes Argument bezieht sich auf die Reaktion eines Menschen, der in einer bestimmten Situation helfen möchte. Zunächst erscheint es mir als durchaus ratvsam, einen klaren Kopf zu behalten. Beim Anblick der Täter oder der meist mit Gewalt verbundenen Tat sinkt bei vielen Außenstehenden der Mut, ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben zu gefährden. Menschen schauen zu oft weg, keiner möchte sich selbst in Gefahr bringen. "Zivilcourage" bedeutet für mich nicht, direkt einzugreifen. Auch wenn man die Polizei einschaltet, was eigentlich nur das Richtige sein kann, so hat sich die Person eingesetzt, um dem Opfer zu helfen. Ich denke, dass jeder Mensch auf seine eigene Weise Courage zeigen kann. Allein das um Hilfe schreien bewirkt, dass auch andere Menschen aufmerksam werden und bereit sind, zu helfen. Vergleicht man die Szene einer alleinstehenden Person, welche eingreift, mit dem Eingriff mehrerer Menschen, so wird schnell deutlich, dass man zusammen stärker ist als alleine. Jeder weiss, dass er oder sie helfen/schützen kann. Gemeinschaft verleiht Kraft und überwindet die Angst. Wer also z.B. auf dem Schulhof einen zu Gewalt eskalierenden Streit beobachtet, sollte schnellstens seine Freunde zusammentrommeln und sie dazu auffordern, Courage zu zeigen und zu beweisen. In diesem Fall bestünde außerdem die Möglichkeit, einem Lehrer oder Streitschlichter Bescheid zu geben. Auch das ist für mich "Zivilcourage". Er oder sie hat eben nicht weggeschaut oder sich aus dem Staub gemacht, wie manch anderer es getan hätte. Dazu ist es wichtig zu sagen, dass unterlassene Hilfeleistung strafbar sein kann. Um noch einmal auf Tugce zurückzukommen: sie hat sehr viel mehr Mut bewiesen und sich dem Täter alleine entgegengestellt. Der Tatort war ein typischer McDonalds - Parkplatz, auf den ständig neue Autos auffahren. All diese Menschen, und da bin ich mir sicher, haben mitbekommen, was sich dort abspielte. Niemand von ihnen hat seine Angst überwunden. |
Wären sie Tugce zur Hilfe gekommen, dann hätten sich die Täter wortwörtlich "verkrochen". Dementsprechend ist es sinnvoller, mit Verstärkung, zum Beispiel in einer Gruppe, einzugreifen. Ich denke nicht, dass der Fall Tugce bewirkt hat, dass in näherer Zukunft weniger Menschen Zivilcourage zeigen, weil die Angst um sich selbst zu groß ist. Das tragische Schicksal ist vielmehr ein Aufruf an die Menschen, Mut zu beweisen und sich einzumischen, wenn irgend jemand - egal wer - dringend Hilfe oder Verstärkung benötgt. Tausende Menschen trauern um die "tapfere Tugce", so wird sie in den Medien genannt. Die Trauer steht allerdings auch als Symbol für Kraft und Stärke. Das genau soll den Menschen deutlich werden. Die junge Frau opferte ihr Leben, zwar unbewusst, dennoch war ihr klar, auf welche Risiken sie sich einließ. Wenn sich all die Trauernden sowie Angehörigen verkriechen, wenn sie versuchten, den Schmerz zu lindern, indem sie die Geschichte vergessen, so wäre das meiner Ansicht nach ein neuer Antrieb für die Täter, weitere Gewalttaten auszuüben. Zeigen diese Menschen Stärke, Gemeinschaft und Courage gegenüber anderen Personen, so wird den Tätern schnell bewusst, dass sie keine Chance haben. Nach der Trauerphase gilt es für jeden, neue Kraft zu schöpfen. Doch nicht nur in Deutschland sind die Menschen zurzeit erschüttert. Die Nachricht von Tugces Tod spricht sich weltweit herum. Derzeit wird entschieden, ob man der mutigen jungen Frau einen Verdienstorden verleihen sollte. Ich finde diese Idee sehr gut, denn ihre Tat und ihr schreckliches Schicksal, welches schließlich mit ihrem Tod endete, ist weitaus mehr wert als nur ein "danke". Tugce ist auch zu meinem Vorbild geworden. Zusammenfassend steht für mich fest, dass jeder Mensch Zivilcourage zeigen sollte. Ich hoffe sehr, dass sich in nächster Zeit mehr Menschen überwinden, ihrer Angst "lebewohl" zu sagen und sie bereit sind, Anderen zu helfen, wenn sie in einer Notlage stecken. Ich kann weiterhin nur dazu auffordern, dass viele Menschen in die Fußstapfen Tugces treten und sie sich ihre Tat zum Vorbild nehmen. Auch wünsche ich mir, dass sie für alle Zeiten in den Herzen der Menschen bleibt und ihnen stets Hoffnung schenkt, wann immer sie es brauchen. text: Ellen Egger, Klasse 9d, webmaster; 12/14 |